Středa 5. června 2024, svátek má Dobroslav
  • Premium

    Získejte všechny články
    jen za 89 Kč/měsíc

  • schránka
  • Přihlásit Můj účet
130 let

Lidovky.cz

Fallschirm und Strumpf

Česko

Am 29. Januar 1938 stellte ein Chemiker der IG Farben erstmals Perlonstäbe her

Als Paul Schlack am Abend des 28. Januar 1938 die Tür seines Labors schliesst, denkt er weder an Weltpolitik noch an Damenbeine. Der Chemiker hat lediglich sein grosses Ziel im Auge: Einen Kunststoff will er herstellen, der sich wie pflanzliche oder tierische Fasern verweben lässt. Am nächsten Morgen hat Schlack nicht nur das geschafft. Nebenbei und über Nacht hat er auch ein Material entdeckt, das die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts wie ein langer Faden begleiten wird. Paul Schlack hat Perlon erfunden.

Dabei sieht das, was der Chemiker am 29. Januar 1938 aus seinem Bombenofen in Berlin-Lichtenhagen zieht, so gar nicht nach feinem Garn aus. Zwei bis drei Zentimeter dick sind die rundlichen Stäbe. Aber sie sind elastisch, und selbst Schläge mit einem schweren Hammer lassen sie nicht bersten. Schon lange hat Schlack, als wissenschaftlicher Leiter bei der I. G. Farben verantwortlich für die Herstellung von Kunstseide, heimlich und auf eigene Faust an der neuartigen Faser geforscht. Er ist in die USA gereist. Das Kunststück gelingt: Schlacks Faser, zunächst Perluran, später Perlon genannt, unterscheidet sich äusserlich kaum vom grossen amerikanischen Vorbild Nylon. Ihre Herstellung ist jedoch völlig verschieden. Perlon wird von Chemikern als Polyamid 6 bezeichnet, Nylon hört auf den Namen Polyamid 6.6. Beide lassen sich zu Fäden verspinnen, beide sind dehnbar, temperaturbeständig, leicht zu waschen und beinahe unverwüstlich.

Also wie gemacht für Kriegseinsatz und Damenbeine. Während des Krieges entstehen aus Perlon Hochdruckschläuche für Flugzeugreifen, Seile aller Art und Borsten für die Reinigung von Waffen. Weil aus Japan keine Seide mehr importiert werden kann, müssen auch Fallschirme komplett aus der Faser hergestellt werden. Paul Schlack erhält das Kriegsverdienstkreuz erster Klasse. Noch kurz vor der Kapitulation entstehen zwei neue Perlon-Fabriken. Auch im Osten müffelt es In den 50er Jahren wird der Stoff zum Symbol des Wirtschaftswunders: Dreissig Millionen Strümpfe werden 1951 in Westdeutschland verkauft, das Paar für zehn Mark. 1955 sind es 100 Millionen zum Preis von nur noch drei Mark. Kleider aus Kunststoff, egal ob Strümpfe, Hemden oder Blusen, verkörpern für die Bundesbürger Freiheit und Fortschritt -auch wenn man darin mitunter etwas müffelt.

Im Osten müffelt es nicht weniger, nur unter anderem Namen. Nachdem sich Westdeutschland 1952 das Warenzeichen „Perlon“ schützen liess, braucht die ostdeutsche Kunstfaser ein eigenes Etikett. Die Wahl fällt, ein deutliches Bekenntnis zur DDR, auf „Dederon“. Millionen ostdeutscher Frauen tragen DederonKittelschürzen, am liebsten geblümt. Anders als Nylon-Entdecker Carothers, der von Depressionen und Alkoholproblemen geplagt 1937 eine tödliche Zyankali-Kapsel schluckt, kann Paul Schlack den Erfolg seiner Erfindung noch auskosten.

Autor:
Témata: Odra, Seina, USA