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Wenn die Zeit zündet

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In „Operation Walküre“ nimmt sich Hollywood das Recht, Geschichte zu überliefern

Jetzt ist es raus: „Operation Walküre“ ist ein guter Film. Historisch weitgehend korrekt, spannend, gut gespielt. Handwerklich liegt die Stärke des Films deutlich im Drehbuch, das Christopher McQuarrie geschrieben hat. Es erinnert an den großen Wurf, der McQuarrie als 26-Jährigem gemeinsam mit seinem Schulfreund, dem Regisseur Bryan Singer, gelungen ist. Ihr Krimi „Die üblichen Verdächtigen“ wurde 1994 zu einem jener epochalen Filme, deren Figuren im Kanon der Popkultur ein Eigenleben entwickeln. Da gibt es sogar in Berlin Mitte eine Kneipe, die nach dem Filmschurken Keyser Söze benannt ist.

In Berlin fanden die beiden vor ein paar Jahren den Stoff, der sie an ihren Durchbruch erinnert haben muss. Die Geschichte des missglückten Attentats, das Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg auf Hitler verübte, ist ähnlich wie „Die üblichen

Verdächtigen“ eine dramatische Intrigengeschichte mit einem Ensemble aus höchst unterschiedlichen Charakteren.

Nun hat der Zweite Weltkrieg den Nachteil, dass er wenig Spielraum für überraschende Wendungen lässt. Da aber beweisen sich McQuarrie und Singer als Meister ihres Fachs. Kunstvoll steigern sie die Spannungsmomente von Akt zu Akt.

Nichts als Nervenkitzel?

Das eigentliche Drama aber spielt sich nach dem Attentat ab, als Stauffenberg und seine Mitverschwörer Hitlers eigenen Notfallplan „Operation Walküre“ aktivieren und für Stunden große Teile des Regierungsviertels in Berlin unter ihre Kontrolle bringen. Da realisiert der Zuschauer erst, wie klug der Putsch geplant war.

Tom Cruise selbst hat es ganz deutlich formuliert: „Was für ein guter, spannender Filmstoff - und wie merkwürdig, dass ich von diesen Ereignissen noch nichts wusste. Es ist doch wirklich ein Thriller!“ Da aber bestätigte Cruise alle Ängste und Vorbehalte gegen die Art, wie Hollywood die großen Stoffe der Menschheitsgeschichte verarbeitet. Wobei es egal ist, ob sich United Artists an der Geschichte vom guten Wehrmachtsoffizier vergreift, oder Disney für seine Zeichentrickfilme den Schatz der Sagen und Fabeln plündert. Für ein amerikanisches Publikum ist dieses Kapitel der deutschen Geschichte eben doch nichts anderes als Stoff für Nervenkitzel. Die eigentliche Frage aber ist, ob der Vorwurf der Trivialisierung überhaupt berechtigt ist. Niemand hat so lange und gute Erfahrungen damit gemacht, die großen Stoffe der Weltgeschichte in vereinfachter Form zu erzählen, wie Hollywood. Die meisten Kinobesucher würden ihren Samstagabend allerdings kaum damit verbringen, Homer, die Brüder Grimm oder Peter Hoffmanns 700-seitige Stauffenberg-Biographie zu lesen. So übernimmt Hollywood doch letztlich die Funktion der antiken Märchen- und Geschichtenerzähler, die der Nachwelt die großen Epen der Vergangenheit überliefert haben.

Süddeutsche Zeitung

O autorovi| Stránku připravila Veronika Jičínská