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Das Kreuz mit der Mode

Česko

Tokio trägt Walliser Taschen und Hollywood Slips aus St. Gallen

Panzer gefällig? Oder ein Militärhubschrauber? Nein? Dann wenigstens ein Kampfflugzeug? Oder wie wäre es mit 17.500 Kubikmetern Stacheldraht, vielleicht zur Verteidigung des heimischen Gartens gegen bösartige Nachbarn?

All diese Wünsche erfüllt, nach sorgfältiger Prüfung des Käufers, die Schweizer Armee. Seit sich das sowjetische Bedrohungsgespenst Anfang der Neunziger in Luft aufgelöst hat, rüsten die Eidgenossen ab. Schließlich ist hier seit Napoléons Zeiten kein feindlicher Schuss mehr abgefeuert worden. Und so stehen in den nächsten drei Jahren noch 200 Panzer, 30 Hubschrauber, 45 Flugzeuge und manch anderes zum Verkauf. Und natürlich: uralte Militärwolldecken, in die sich der Schweizer Soldat Nacht für Nacht zusammenrollte. Jetzt entstehen daraus Accessoires, getragen von Zürich bis Tokio. Jeder hat sie schon gesehen, die Rucksäcke, Bodybags und Portemonnaies aus alten aufgebügelten Wolldecken, mit dem prägnanten weißen Kreuz auf rotem Grund.

Besondere Form des Recyclings Produziert werden sie in einem abgeschiedenen Tal im Hochwallis, mit Blick auf das Weißhorn, einem nahen Verwandten des Matterhorns. Im Dorf Törbel, um welches der Tourismus rätselhafterweise einen Bogen gemacht hat.

„Mein Vater hat früher viele Sachen mit Kuhgürteln und Edelweiß gemacht, und für die Armee vor allem Riemen und Gürtel“, erzählt Besitzer Hans Jörg Karlen, ein Mann mittleren Alters im blauen Arbeitskittel, der so etwas wie den grundsoliden Handwerker verkörpert. In den vergangenen Jahren sei die Armee aber unheimlich geschrumpft, es gab keine Aufträge mehr für ehrliche Handarbeit aus den Bergen. Karlen stand vor dem Aus. „Anstatt weiter das Militär zu beliefern, haben wir von der Armee Tausende alte Militärwolldecken aufgekauft.“

Das Konzept, aus Decken Accessoires zu machen, erwies sich als Renner. Jede dieser Armeedecken erzählt eine Geschichte. Mal ist der Name des Rekruten drauf gekritzelt, mal der seiner Freundin, vielleicht ein Herz oder andere persönliche Erinnerungen. So wird jede Tasche zum Unikat. Doch man fragt sich schon, wie solch ein kratziges und filziges Material ohne jeden Glamourfaktor zum Grundstoff für Edeldesign aufsteigen konnte. „Wir haben eine Linie, die nennt sich: Schwerter zu Pflugscharen. Das ist natürlich Abrüstung pur. Es ging uns aber vor allem auch um den Gedanken des Recyclings.“ Recycling ist ein guter Gedanke in Zeiten, in denen umweltfreundliche, grüne Mode nachgefragt wird wie nie zuvor. Denn auch wenn die Taschen von Karlen nicht aussehen wie von Prada und Chloé: Ökologisch korrekt sind sie.

Autor:
Témata: Tokio, Hollywood, Odra
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